Von der Einbahnstraße zur Energieautobahn mit Datenknoten – so funktioniert das Energienetz der Zukunft
Mitte 2019 erreicht der Anteil an Erneuerbaren Energie mit fast 50 Prozent seinen bisherigen Höhepunkt. Unter dem Aspekt der Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windkraft ist die Energiewende also im vollen Gange. Parallel dazu befindet sich ebenso die Verkehrswende, wenn auch (ungewollt) angestoßen durch den Dieselbetrug der Hersteller, auf Erfolgsspur. Konsequent ist die Betrachtung aber nur, wenn beides zusammen mit der noch in den Kinderschuhen steckenden Wende der Heizsysteme als Einheit betrachtet wird. Es heißt nämlich Energiewende: Und so müssen alle Energieverbraucher zukünftig mit Erneuerbarer Energie betrieben werden. Also kein Öl, Erdgas, AKW- oder Kohlestrom mehr, sondern Grüner Strom als Basis für Waschmaschinen, Heizungen und Fortbewegungsmittel aller Art. Sicher in wenigen (oder vielen?) Fällen auch Wasserstoff – doch für dessen Produktion wird ebenso Strom benötigt.
Ergo braucht die Menschheit zukünftig mehr Strom als bisher. Was soweit kein Problem darstellen sollte, da sowohl Sonne als auch Wind endlos vorhanden sind. Schon jetzt wird dezentral von vielen kleinen und großen Stromproduzenten, die über das ganze Land verteilt sind, ein wesentlicher Teil des benötigten Stroms hergestellt. Anders als die bisherige oligarchische Struktur der Energieproduktion entsteht hier echter Wettbewerb, an dem jeder teilnehmen kann. Sowohl als Anbieter mit eigener PV-Anlage auf dem Dach oder der Biogasanlage auf dem Land als auch als Nachfrager beim Produzenten seiner Wahl (siehe unseren Beitrag „Vision-E-Wärme“). Und hier liegt die zukünftige Aufgabe der integrierten Energiewende: dieser wechselseitige Energiefluß muss gesteuert werden. Denn die Produktion findet quantitativ nicht analog zum Verbrauch statt, da Sonne und Wind ihre eigenen Gesetze haben. Experten entwickeln dafür seit Jahren mit Hochdruck neue und innovative Technologien und (Speicher-)Möglichkeiten.
Flexibles Stromnetz: die Chance der Digitalisierung
Bekannt sind die Diskussionen über den notwendigen und stockenden Ausbau des Stromnetzes. Der ist zwingend erforderlich und bereits in Arbeit. Doch das wirklich wichtige ist die Steuerung der benötigten Mengen über die Energieautobahn. Dafür setzen Forscher derzeit auf viele Datenknoten analog zu Autobahnkreuzen, über die Angebot und Nachfrage geregelt werden. Um aber zu wissen, wann und wo wieviel Strom produziert und verbraucht wird, um dann Just-in-Time zu liefern, braucht es intelligente Netze. Und diese benötigen wiederum kleine, verlässliche Helfer im Gebäude, auf der Straße, im Fahrzeug – die dem Netz sagen, ob Strom im Überfluss vorhanden ist oder ob irgendwo welcher fehlt. Solche Helfer sind beispielsweise Smart Meter, sogenannte digitale Stromzähler, aber auch Verbraucher mit digitaler Steuerung. Es kommt also zur Verknüpfung der wichtigen Bereiche Strom, Wärme und Verkehr.
Realitätscheck für die Zukunft
Eine Waschmaschine ist befüllt und startklar. Allerdings ist es mittags und der allgemeine Stromverbrauch hoch. Diese Information tauschen Netz und Waschmaschine aus, die Waschmaschine startet nicht. Drei Stunden später sinkt der Stromverbrauch, das Netz gibt Bescheid und die Maschine beginnt zu waschen. Natürlich gibt es Verbraucher, die nicht so flexibel sind. Heizungen im Winter zum Beispiel. Eine Lösung wären Speichermedien in den Heizkörpern, die Strom in Zeiten von hoher Produktion aufnehmen, in Form von Wärme speichern und diese in den Raum abgeben, wenn zum Feierabend die Bewohner nach Hause kommen.
Kleine und große Speicher stabilisieren das Stromnetz
Speicher sind daher das A und O im Stromnetz der Zukunft. Wer heute eine Solaranlage baut, integriert intelligenter Weise gleich einen mit – die Preise sind in den letzten Jahren rapide gefallen und die Technik ist ausgereifter. Zudem sind weitere Speichermedien und -szenarien in der Entwicklung. Materialien, die Wärme in den Wänden eines Hauses zwischenspeichern, Second-Life-Batterien, also die Weiterverwertung von Akkus in E-Autos oder die digitale Steuerung von Ladestationen, um E-Fahrzeuge und Werkzeuge mit Akkus als Zwischenspeicher zu nutzen und so das Stromnetz stabil zu halten.
Um jedoch größere Mengen zu speichern, setzen Experten derzeit auf das sogenannte Power-to-Gas-Verfahren: Überschüssiger Strom wird per Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und so in großen Mengen über lange Zeiträume gespeichert. Bei Bedarf wird er über eine Brennstoffzelle wieder verstromt oder zu einem gewissen Anteil in das Gasnetz eingespeist. Alternativ ist eine die Methanisierung des Wasserstoffes zu synthetischem Gas mögliches. Dieses Wiederum kann zum Beispiel für einen Herd oder eine Heizung genutzt werden kann.
Eigene individuelle Lösungen sind gefragt
Wie ein einzelner Haushalt oder ein Unternehmen zukünftig von der neuen Welt der Energie partizipiert, ist variabel. Ein Neubau wird künftig noch mal ganz anders geplant als heute – hier ist die Integration neuer Technologien mit einem hohen Autarkiegrad problemlos möglich. Eine Herausforderung wird die Umrüstung bestehender Gebäude und Anlagen auf das jeweils optimalste Energie- und Wärmesysteme sein. Parallel dazu müssen neue Vertragsarten entwickelt werden, welche die Abrechnung sowohl für Anbieter als auch für Nachfrager gestalten.
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