Die neue Rolle der Energie
Wer glaubt, die Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung der letzten 20 Jahre fühlt sich an wie ein Flug in der Concorde, sollte sich jetzt bereit machen für das Boarding bei SpaceX: Bereits im Jahr 2012 hat das Zukunftsinstitut eine Studie über das Leben mit damals visionären Entwicklungen vorgestellt, die sich heute in einigen Punkte schon selbst überholt hat. E-Mobilität hat längst unsere Straßen erreicht, über unsere PCs, Tablets und Smartphones steuern wir Fernseher, Raumtemperatur oder Licht. Das Internet wird zunehmend zur zentralen Schnittstelle im Leben. Und unsere Daten legen wir nicht mehr auf Festplatten ab, sondern speichern sie in Clouds.
Der Blick in die nahe Zukunft zeigt, dass sich auch unsere Energieversorgung ändern wird. Durch den rasanten Ausbau der Erneuerbaren Energien, innovativen Technologien und dem zunehmenden Wegfall von Subventionen wandeln sich die Angebots- und Nachfragesituationen. Energieproduzenten sind nicht mehr nur die großen, bekannten Versorger und Stadtwerke, sondern auch neue, agile Unternehmen mit kreativen Geschäftsideen sowie Verbraucher selber.
Ausgeklügelte Energiekonzepte machen Gebäude jeder Art – vom Wohnhaus bis zur Produktionshalle – zu Stromerzeugern: Solarzellen im Mauerwerk, Nutzung von E-Fahrzeugen zur Zwischenspeicherung sowie biologische Kläranlagen sind heute schon Realität. Immer mehr Menschen und Unternehmen erzeugen ihre Energie selber. Und was sie nicht verbrauchen, bieten sie über das öffentliche Netz an. Aus Energieverbrauchern werden Erzeuger und aus einer Handvoll großer Energieversorger viele kleine Produzenten.
Geburtsstunde für kreative Ideen
Die Dezentralisierung der Energieerzeugung und -versorgung bedeutet, dass die Netze der Zukunft in beide Richtungen funktionieren müssen. Vom Versorger zum Kunden und vom Kunden zum Versorger. SmartHomes, also Gebäude, die mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen, werden elementarer Bestandteil des intelligenten Stromnetzes. Neue Wettbewerbsstrukturen entstehen, in denen sich Chancen für mittelständische, innovative Firmen auftun und welche die etablierten Versorger zwingen, alternative Angebote zu schaffen. Erste Vorreiter gibt es dazu bereits. So startet EnviaM beispielsweise einen digitalen Marktplatz für Erneuerbare Energien in Teilen Sachsen, Sachsen-Anhalts, Thüringen und Brandenburg. Hierüber verkaufen regionale Erzeuger ihren Strom direkt an regionale Abnehmer. Also beispielsweise der Landwirtschaftsbetrieb, der auf seinem Hallendach eine große PV-Anlage hat, die mehr Strom erzeugt, als er benötigt, verkauft diesen an die vierköpfige Familie in der Stadt. Anders der Gedanke der „Vishare Energy Community“: Haben Mitglieder von ihrem selbsterzeugten Strom etwas über, fließt die überschüssige Energie in einen virtuellen Strompool der Energiegemeinschaft. Dieselbe Menge, die jeder Erzeuger in den Strompool eingespeist hat, kann er später wieder kostenlos daraus entnehmen.
In Zukunft ist Strom gut
Galt es in Zeiten der Kernkraftwerke als zwingend zur Rettung des Klimas, immer energiesparsamere Produkte zu entwickeln, möglichst nicht unnütz das Licht oder die Heizung anzulassen, ändert sich dieses extreme Stromsparen. Denn wer viel eigenen Strom aus Wind und Sonne erzeugt, sollte ihn aus wirtschaftlichen Gründen auch verbrauchen. Oder speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abrufen. Daher benötigt es in Zukunft intelligente Verbraucher, die sich programmieren und von jedem Ort und zu jeder Zeit digital steuern lassen.
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